IDOMENEO / Wolfgang Amadeus Mozart
Idomeneo und sein Clan regieren Kreta unter der Devise „Nach uns die Sintflut“. Sturm, Schiffbruch, Seeungeheuer, Menschenopfer - die mythologischen Metaphern der Oper erzählen von einer ungeheuren gesellschaftlichen Krise. Diese Krise ist für die Herrschenden längst zum idealen Regierungsmodell geworden. Doch die Demonstrationen, die Aufstände, die Riots und Revolutionsversuche werden immer lauter und heftiger...
Die explosive, vorrevolutionäre Situation des späten 18. Jahrhunderts und die heutige Krise von Demokratie und europäischer Idee korrelieren auf erstaunliche Weise. IDOMENEO kann als präzise Beschreibung eines „kommenden Aufstands“, als Imagination einer vor der Tür stehenden Revolution gelesen werden.
STAB
Musikalische Leitung Marcus Bieringer
Regie, Bühne & Kostüm Dissmeier & Wiehle
Licht Thomas Schöneberger
Chor Johannes Köhler
Dramaturgie Andreas Bronkalla
Regieassistenz Doris Schumacher / Dominik Kastl
Regiehospitanz Aileen Schneider
BESETZUNG
Idomeneo Gergely Németi
Idamante Marianne E. Anderson
Ilia Arlette Meißner
Elektra Adelheid Fink
Arbace Daniel Kim
Der Oberpriester Jung-Baik Seok
Chorsolisten Seungmin Baek / Elena Laborenz
Dominique Engler / Andrea Zabold
Daniel Ewald / Bernhard Schreurs
Ralph Jaarsma / Radoslaw Wielgus
Der Chor und der Extrachor des Pfalztheaters
Die Statisterie des Pfalztheaters
Das Orchester des Pfalztheaters
Cembalo: Jia Jia
Premiere 18.6.2016 @ Pfalztheater Kaiserslautern
PRESSE
SWR2
In Kaiserslautern hat das "Team Dissmeier & Wiehle" Inszenierung, Bühne und Kostüme gestaltet. Und eine stimmige Produktion erarbeitet, die nicht nur ästhetisch klar strukturiert ist, sondern auch durch ihre konsequente inhaltliche Aktualisierung überzeugt. Kreta ist ein Staat in der Krise. Das Wort schwebt als übermächtiges Schriftbild aus hundert Schweinwerfern erdrückend schwer über einem reduzierten Bühnenbild, das aus Spiegeln, Glas und einem Kubus besteht, auf den Bilder der gegenwärtigen globalen Krisen projiziert werden. Es steht für die Coolness der Macht aus Medien und New Economy. Gegen die sich die Protestbewegungen auflehnen: der Chor als rebellierendes Volk in seinen Protestcamps: große Partien, die Mozart so erst wieder in seinem Requiem schreiben wird.
Und so ist es auch nur konsequent, wenn Dissmeier & Wiehle Mozarts Happy End verwerfen: "Das heißt, dass der König am Schluss, um die Verhältnisse aufrecht zu erhalten, so wie sie sind, merkt, dass er seinen eigenen Sohn opfern muss, also das größte denkbare Opfer. Wenn die Verhältnisse so bleiben sollen, wie sie sind, dass also die Mächtigen so weiter herrschen können wie sie herrschen, dann muss - jetzt mal ganz einfach gesagt - die Zukunft unserer Kinder geopfert werden." (Dissmeier & Wiehle)
Idomeneo killt seinen Sohn auf Geheiß der Götter. Wir killen die Zukunft unserer Kinder mit allen Krisen, die wir verschulden. Wir sind nicht das Volk. Wir sind Idomeneo.
Theo Schneider / SWR2 / 17.6.2016
LOLA RENNT / Ludger Vollmer
Oper nach dem gleichnamigen Film von Tom Tykwer
Libretto von Bettina Erasmy
STAB
Musikalische Leitung Martin Hoff
Regie, Bühne und Kostüme Dissmeier & Wiehle
Lichtdesign Carsten Sander
Licht Alexander Gnadl
Programmierung Licht/Effekte Christian Schirmer, Peter Friedrich
Video Bahadir Hamdemir
Dramaturgie Martina Stütz
Chor Markus Oppeneiger
Regieassistenz Sebastian Gühne
Bühnenassistenz Anja Wandt
Kostümassistenz Teresa Rinn
Ausstattungsassistenz Lena Laine
BESETZUNG
Lola Heike Porstein
Manni Alik Abdukayumov
Vater Sebastian Campione
Jutta Caterina Maier
Ronny / Croupier Alexander Günther
Schuster Andreas Koch
Obdachloser Bjørn Waag
Tagesmanager Chong Ken Kim, Yong Jae Moon
Opernchor des DNT
Staatskapelle Weimar
Premiere 13.6.2015 @ Deutsches Nationaltheater Weimar
PRESSE
THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG
„Lola rennt“: Ludger Vollmers Oper
überzeugt als Zeitgeist-Panorama auf ganzer Linie
Weimar. Riesen-Beifall für Ludger Vollmer: Der Weimarer Komponist ist beim „Heimspiel“ am Deutschen Nationaltheater für seine Oper „Lola rennt“ gefeiert worden – derart frenetisch, wie es dort selten einem zeitgenössischen Tonschöpfer widerfahren ist.
Der Erfolg indes hat viele Väter und Mütter: Der exzellente Erste Kapellmeister Martin Hoff am Dirigentenpult, eine vorzügliche Heike Porstein in der Titelpartie und die absolut überraschende Caterina Maier als Jutta sowie die Regisseure Dissmeier & Wiehle sind da nur stellvertretend für eine fulminante Teamleistung zu nennen. Diese Produktion trifft präzise einen Nerv unserer Zeit. Die in Tom Tykwers gleichnamigem Kino-Epos (1998) angelegte Materialismuskritik wird in Vollmers Oper (2013) nochmals forciert und nun von Dissmeier & Wiehle in die apokalyptische Vision einer nahen Zukunft übertragen.
(...)
Wiehle & Dissmeier erzählen das eigentlich recht artifizielle Arrangement mit kalt faszinierender intellektueller Strenge und bieten damit einen angemessenen, spannenden Kontrast zur Emotionalität der Musik. (…) Diese Produktion bietet eine schulmäßige Lesart der Oper, die akute Zeitkritik mit philosophischen Fragen – was ist Zeit, was unsere Destination auf Erden? – verbindet.
(…)
„Ist es der Augenblick, ist es die Ewigkeit?“ heißt es im Stück – und das DNT-Team feierte den grandiosen Erfolg ohne Limit.
Wolfgang Hirsch / 16.06.15 / TLZ
THÜRINGER ALLGEMEINE
„Lola rennt“ am Deutschen Nationaltheater bejubelt
Weimar. „Lola rennt“ ist gelaufen! Am Deutschen Nationaltheater fand die Premiere der Oper des in Weimar lebenden Komponisten Ludger Vollmer umjubelten Anklang.
Er gilt also doch etwas im eigenen Lande, der Prophet. Und wenn am Schluss unter diesen kritischen Zeilen fünf Sternlein prangen, zieht der Rezensent vor allen mit 200-prozentigem Engagement an der Aufführung Beteiligten den Hut.
Das neue Label der Duo-Regie heißt „Dissmeier & Wiehle“ und ließ sich vom Kino, auch Lichtspieltheater genannt, inspirieren. Grelles Scheinwerferlicht auf die dunklen Seiten des Daseins werfen – eine gute Idee.
Ursula Mielke / 15.06.15 / TA
MDR FIGARO
(...)
Das junge Inszenierungsteam Michael Dissmeier und Christian Wiehle, das in Weimar schon einige Erfolgsproduktionen hinlegte, hat gar nicht erst versucht diese andere Machart des Mediums (Films) nachzuahmen. Sie haben eine eigene szenische Metapher entwickelt, um die Zeit und das Anhalten der Zeit darzustellen.
Ihre Bühne besteht eigentlich nur aus Licht. Für das Alexander Gnadl verantwortlich ist. Man spielt auf leerer schwarzer Bühne, in einem verspiegelten, Scheinwerfer bestückten Stahlkäfig. Nicht nur Lola, alle Handelnden einschließlich kommentierenden Chor als Querschnitt heutiger Gesellschaft, sind in diesem Käfig wie in einem Hamsterrad gefangen. Sie rennen, laufen, schreiten in diesem Käfig und kommen doch nicht vom Fleck. Lola darf allerdings nur in der dritten Runde rennen, ansonsten rennt sie in Zeitlupe auf einem Beinmuskeltrainer, den sie mit sich herumschleppt. Es geht ja auch um das innere Rennen, nicht um äußeres Tempo. Ich finde eine konzeptionell einleuchtende und handwerklich perfekt realisierte Inszenierung.
Dieter David Scholz / MDR FIGARO / 15.6.2015